Der letzte Plan: Thriller (German Edition) by Wolf Dick

Der letzte Plan: Thriller (German Edition) by Wolf Dick

Autor:Wolf, Dick [Wolf, Dick]
Die sprache: deu
Format: azw3, mobi, epub
Herausgeber: Blanvalet Taschenbuch Verlag
veröffentlicht: 2014-09-14T22:00:00+00:00


Doppelzüngigkeit

Das Taxi kroch im dichten frühabendlichen Verkehr auf der 6th Avenue nach Norden. Wegen der vielen Fußgänger an diesem Samstagabend erwischten sie sämtliche Ampeln bei Rot. Der Fahrer hatte das Radio laufen, 1010 WINS New York. Ein reiner Nachrichtenkanal.

Sie brachten eine Eilmeldung. An einer Straßensperre in Chelsea war es zu einer Schießerei gekommen. Erste Berichte deuteten auf einen Antiterroreinsatz hin, aber es war unklar, ob man auf eine bestätigte Bedrohung oder die Tat eines geistig labilen Einzelgängers reagiert hatte. Der Sprecher gab eine Verkehrswarnung für die Gegend um die 28th Street zwischen 6th und 7th Avenue durch.

»Diese Hitze macht die Leute verrückt«, murmelte der Fahrer.

Auf dem Rücksitz spürte Aminah bint Mohammed, wie sie sich in Kathleen Burnett zurückzog. So vollständig sie ihr Leben auch Allah verschrieben hatte, auf das hier hatte sie ihr dürftiges Training nicht vorbereitet.

Der Mann, den sie an diesem Nachmittag getroffen hatte, war gestorben. Er hatte den Märtyrertod auf dem Schlachtfeld erlitten – so viel war ihr klar. Baada Bin-Hezam hatte gewusst, dass er in den Tod ging, das wurde ihr jetzt bewusst. Er ging tapfer. Er ging, ohne Fragen zu stellen.

Wie sie es jetzt auch tun musste.

So war sie zu ihrer Arbeit als Krankenschwester gekommen, bei der sie die Kranken und Sterbenden pflegte. Es war dem sehr ähnlich, was sie jetzt tat – sie rettete die Welt vor der Gottlosigkeit, sie bewahrte sie davor, Unschuldige weiter zu foltern.

Seit einiger Zeit führte sie nun schon leidenschaftlich ihr Leben als islamische Gotteskriegerin. Das hatte genügt, ihre Unsicherheiten und Ängste zu besänftigen. Doch das Gefäß, in dem sie sich selbst bewahrte, zerbrach nun, da sie begriff, dass sie einen Mann in den Tod hatte gehen lassen.

Sie war sein letzter menschlicher Kontakt gewesen. Sie trug die Dinge in der Tasche, die er ihr gegeben hatte. Sie handelte jetzt für ihn.

Er hatte seinen Tod akzeptiert. Er hatte seine Kraft zusammen mit der Tasche und dem Auftrag an sie weitergegeben. Sie war wie nie zuvor eine geheiligte Botin.

Und doch auch eine verängstigte.

Das Taxi bog rechts ab in eine der größeren Ost-West-Durchfahrten, dann links auf die Madison Avenue in Richtung Park hinauf. Sie hatte dem Fahrer das Metropolitan Museum of Art als Ziel genannt. Das Museum war nur einen kurzen Spaziergang von dem eingezäunten künstlichen See entfernt, der offiziell Jacqueline Kennedy Onassis Reservoir hieß.

Aminah sah auf die roten Leuchtziffern des Taxameters, dann fiel ihr Blick auf den Ausweis des Fahrers darunter. »Aaqib bin Mohammed.«

Im Rückspiegel sah sie die Augen eines Mannes in den Fünfzigern, der Kummer und Sorgen erlebt hatte. Er warf ihr einen kurzen Blick zu und bemerkte, dass sie ihn ansah. Was erkannte er wohl in seinem Fahrgast? Eine jener typischen weißen New Yorkerinnen, die voll Unbehagen ihren mittleren Jahren entgegengingen? Und die nichts wissen von den Privilegien, die sie durch ihre Geburt genossen.

»Kann ich Ihnen helfen, Miss?«, fragte er. »Sie weinen.«

Es war Aminah nicht bewusst gewesen. Sie wischte die Tränen fort, die ihr über die Wangen liefen. »Nein, es geht mir gut. Eigentlich.« Sie tat, als würde sie aus dem Fenster blicken.



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